"Ohne Musik ist das Leben ein Irrtum."      Friedrich Nietzsche

 

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Die Teilaustellung "Sound Lab. 1" im Münchener Stadtmuseum zeigt einen Originalen Edison-Phonograph von 1877

 

 

 

Aus Popular Science, Februar 1923

(Übersetzung: Ilona Adolf / Worms)

 

Dem Lautsprecher stehen bessere Tage bevor

Indem er einen Hornlautsprecher aus Zement mit einem Radioverstärker benutzt, flutet ein  Erfinder die Landschaft meilenweit mit Melodien und beschert  einer kompletten ländlichen Gemeinde einzigartige Unterhaltung

 

Bildunterschrift:

So genießen die Einwohner von Waterford im Bundesstaat Virginia (USA)  regelmäßig „open air“ Radiokonzerte, dank des Erfindergeistes von M.C. Hopkins, dem Erfinder eines neuartigen Lautsprechers, der Musik  über fast 3 Meilen (rund 5 Kilometer) hörbar macht. Armstrong Perry, ein berühmter Rundfunkredakteur, ist auf dem Portrait rechts oben zu sehen.

 

Von Armstrong Perry

 

Du fährst dein Auto entlang einer Landstraße in einer wohlhabenden Landgemeinde, nicht weit von einer großen Stadt

(Washington D.C, Anm. d.Ü.). Plötzlich hörst du eine leise, kaum hörbare Melodie, die durch die Luft schwebt wie die Klänge eines Elfen-Orchesters.

Zuerst bist du verblüfft. Aber als die Musik lauter wird, glaubst du, sie müsste von einem Phonographen mit großem Schalltrichter aus  einem der Häuser an der Straße vor dir kommen. Aber du passierst Haus um Haus und die Musik scheint immer noch von weit her zu kommen. Nachdem du drei Meilen gefahren bist, seit du die Musik erstmals gehört hast, erreichst du eine charmante Szenerie am Rande einer kleinen Ortschaft.

 

Ein idyllisches Gemeindezentrum

 

In der Ecke eines gepflegten Rasens neben einem Steinhäuschen, umgeben von Fischteichen, üppigem Gebüsch und schattigen zweisitzigen Bänken steht ein Zementlautsprecher, über zwei Meter hoch und breit. Die gesamte Bevölkerung scheint vorbeizuflanieren, räkelt sich in Kanus, oder beugt sich über die niedrige Mauer, die das Anwesen umgibt. Und plötzlich wirst du die mysteriöse Quelle der Musik gewahr. Radio und Lautsprecher haben sich verbunden, um die gesamte Landschaft mit Melodien zu überfluten!

Dies ist kein Traum, sondern die direkte Erklärung für das, was  mir letzten Sommer während eines Besuches in dem kleinen Dorf  Waterford, unweit von Washington, passierte. Dort entdeckte ich die wahrhafte  Apotheose des Lautsprechers. Kein weniger grandioses Wort kann den Eindruck beschreiben, den ich erhielt. Niemals wurde ich Zeuge einer erfreulicheren  Zusammenkunft der Gemeinde. Sie kombinierte die Großzügigkeit eines prominenten Bürgers, die dankbare Reaktion der Dorfgemeinschaft, den Reiz des Neuen und das intensive wissenschaftliche Interesse.

Neugierig interviewte ich  das präsidierende Genie dieser gemeinsamen Radioveranstaltung. Ich stellte fest, er war kein anderer als M.C. Hopkins, ein Mann, dessen vielfältige Karriere ihn sowohl zur Musik als auch in den Beruf eines Patentanwaltes und in die Welt der Erfindungen führte, in der er mit Edison, Alexander Graham Bell und vielen anderen Erfindern verbunden war. Sein Interesse am Radio führte ihn zu seinem Freund, dem Radio-Magier E.H. Armstrong, und machte er sich dann an die Arbeit in der Hoffnung, das Lautsprecher-Problem zu lösen. Was ich auf dem Rasen hörte, war das Ergebnis seiner Bemühungen.

Hopkins erklärte mir, dass er, um bestimmte Probleme zu eliminieren, einen Pick-up oder Transmitter gebaut  hatte, der an Stelle des Mikrofons bei Radiostationen verwendet werden sollte.

Das Eliminieren von atmosphärischen Interferenzen und Röhrengeräuschen wurde erreicht  - soweit es gegenwärtig möglich war - durch die sorgfältige Installation und den Betrieb von Empfängern (empfangenden Einrichtungen). Zusätzlich bemühte er sich,  seine Lautsprecher nach wissenschaftlichen Erkenntnissen zu entwerfen, was sowohl die Form der Kammern und  des Horns als auch  den elektrischen Apparat und die Membran , welche für die Verstärkung verantwortlich ist, betrifft. Und er ist der Meinung, dass er bewiesen  hat, dass Klangwellen außergewöhnliche weit reichen, wenn die Form der Welle beibehalten wird.

Aber selbst Hopkins ist nicht vollständig zufrieden mit den Ergebnissen, die er erreicht hat. Und, bis zufriedenstellendere Lautsprecher perfektioniert werden,  muss der durchschnittliche Hörer mit dem zufrieden sein, was der Markt bietet. Beträchtliche Fortschritte wurden in der letzten Zeit  erzielt, ungeachtet der damit verbundenen Schwierigkeiten.

Es gibt zwei generelle  Typen von Lautsprechern. Die einfacheren sind Hörner, die es erlauben, Telefonhörer an die kleinen Enden anzuschließen. Diese Hörner benötigen nur die Energie, die von der Telefonmembran ausgeht. Einige waren künstlerisch, einige wurden von Leuten entworfen, die Ahnung von Akustik haben,  und auf andere traf n weder das eine noch das andere zu. Der einzige Weg, sich für einen guten zu entscheiden, ist sich vom Händler  jeden einzelnen vorführen zu lassen. (Die Übersetzerin empfiehlt BLAST Lautsprechersysteme J)

Wird ein Horn nicht richtig gebaut, so dass es vibriert, wird es ein unangenehmes Dröhnen durch Resonanzen  in den Harmonien produzieren wenn der durch die Vibration produzierte Ton die gleiche Frequenz hat wie er selbst.  Das perfekte Horn vibriert nicht, es erhält die „Form“ der Schallwelle, die es verbreitet, und erlaubt der Schallwelle jeden Punkt vor dem Horn zu erreichen.

Der andere generelle Lautsprechertyp hat eine eigene Membran,  die vom elektrischen Strom einer lokalen Batterie in Gang gesetzt wird. Das populärste Gerät kostet 150 Dollar und besteht aus einem komplizierten Apparat. Die Hersteller dieses Gerätes haben kürzlich einen anderen Lautsprecher auf den Markt gebracht der 55 Dollar kostet. Er kann direkt an den Verstärker eines jeden Empfängers angeschlossen werden. Das erspart den teuren an das Stromnetz angeschlossenen Verstärker. Ein anderes Gerät kostet nur 20 Dollar.

 

Wie der Phonograph benutzt wird

 

Verschiedene Geräte benutzen einen Phonographen für den Lautsprecher.  Das wissenschaftlich entwickelte Horn und Verbindungen zum  Phonographen ergeben einen guten Lautsprecher, aber die Ergebnisse hängen komplett von der Effektivität des Empfängers ab. Ein Gerät besteht aus einer Klemme, die über  den Arm oder Hals des Empfängers geschoben wird, ein einzelnes Telefon, durch eine Schraube am Platz gehalten. Andere benutzen ein Y-förmiges Teil, das zwei Telefone halten kann.

Ein interessantes neues Gerät wird an der Seite des Plattentellers installiert und mit Drähten an den Radioempfänger und die gegenüberliegenden Pole einer 6-Volt-Batterie angeschlossen.

Die Nadel wird in die Rille in einer vibrierenden  Armatur (schwingender Nadelträger) aufgesetzt, die durch  eine Öffnung  in der Mitte des Gerätes herausragt.  Durch den Strom entstehenden Schwingungen, die durch das Radiogerät  empfangen werden, werden an die Nadel weitergeleitet, so dass die Klänge aus dem Horn kommen. Wie ich feststellte erklang die Musik bei starker Verstärkung in Phonographen-Qualität, allerdings mit einiger Verzerrung .

Dies sind also die neuen Entwicklungen im Lautsprecherbereich. Sie sind nicht hundertprozentig  zufriedenstellend, das ist wahr. Aber es gibt jeden Grund zu glauben, dass mit intelligenteren  Empfangs- und Sendemethoden, kombiniert mit Fortschritten in der Entwicklung, die sicher  gemacht werden müssen, wir in der nahen Zukunft nach viel besseren Dingen Ausschau halten dürfen.

 

Waterford Lautsprecher

  

 

 

Diese Horn-Installation von 1923 ist heute noch zu besichtigen und wird auch vorgeführt.

  

       

Da war mal High-Fidelity „Made in Germany“, Bj. 1967: Breiter und gut 8kg schwerer Stereo Vintage Receiver Grundig RTV 360. Klanglich eine Überraschung: Trotz – oder wegen - seiner nur 2 x 20 Watt pro Kanal sehr runder, warmer Sound, mit Röhrenverstärker zu vergleichen. Erstaunliches Testergebnis im Betrieb an großen JBL Hochwirkungsgrad-Boxen. Sehr impulsiver und dynamischer Bassbereich, angenehm weiche Höhen, prägnanter hochauflösender Mitteltonbereich. Bei Jazz/Blues-Aufnahmen ausgesprochen überzeugend. Auch die kleinen orig. Breitbänder klingen für die Größe wirklich gut. Nach nunmehr 50 Jahren ist kein Defekt zu erkennen, alle Funktionen sind einwandfrei, ebenso alle Regler und Schalter, obwohl ein Techniker nie Hand anlegen musste!

Telefonverbindung-Verteilerkonsole, wohl aus den 40er Jahren, ausgestellt im Foyer des Holtels Parque, Las Palmas / Gran Canaria.

 

Röhrenradios unseres Technikers, ab den 20er Jahren, alle mit originalen Bauteilen restauriert.

   

Grammophon aus Frankreich: Pathe, Bj 1926. Klanglich eine Offenbahrung.

Fehodux 30cm Breitbänder, Bj. ca. 1935. Der ideale Wandler für alte Jazz- und Bluesaufnahmen. Seine klangliche Aura übertrifft alle uns bekannten modernen Lautsprecher.

20cm Breitbänder des Herstellers Graetz, aus den 30er Jahren. Im Paar schwer zu finden.

Isophon P 38 A Bj. 1967.

Alnico Magnete sind mittlerweile sehr teuer geworden, bis in die 70er waren sie jedoch das gängige Magnetmaterial.

Breitbänder von Siemens Klangfilm, 20cm Durchmesser, Bj. ca. 1955.

2 Wege Koaxial Lautsprecher Isophon Orchester, Bj. 1950. Die geöffnete Front des Koffers besitzt eine hornähnliche Charakteristik, je nach Öffnungwinkel der Klappen.

Einsatz als Kino- Abhörmonitor für Filmvorführungen.

Isophon Orchester, Bj. ca. 1962: 30cm Koaxialsystem mit HT HM10. Trotz sehr leichter Membran des 12“ tiefes Fs von 35Hz, Fc bei 4kHz. Wurde auch für als Studiomonitor eingesetzt. Klanglich vielleicht einer der besten Lautsprecher aus dt. Produktion. Sehr fein im Mittel-und Hochtonbereich, trocken, impulsiv und homogen. Für Jazz und Blues der ideale Wandler.

36cm Breitbänder von Telefunken, Mitte/Ende 30er Jahre, ein extrem seltenes Sammlerstück, wird zu horrenden Preisen gehandelt. War mal im Einsatz bei Schaustellern hier aus Worms. Klanglich faszinierend, rund, homogen, im Hochton gar nicht so übel..

Das damalige Magnetmaterial hatte eine schwache Induktion, daher bringt es dieses Chassis auf unglaubliche 29kg!

Der deutsche Audio-Pionier Paul G.A.H. Voigt kooperierte mit O.P. Lowther und entwickelte bereits in den 1930er Jahren Bass-Hörner, sowie das Traktrix-Horn für Kinos.

Die Japanische Kriegführung beschränkte sich offenbar nicht auf traditionelle Waffengattungen. In den 30er Jahren gab es Entwicklungen zu akustischem Psychoterror "War Tuba"

Bereits in den 40er Jahren entwickelte G.A. Briggs von Wharfedale z.T. gigantische Hornsysteme für Kinobeschallung und Open Air. Hier ein Beispiel eines eher kleinen 2-Wege Horns, aus einer Abhandlung von 1948.

 

Die Hartley Concertmaster VI, entwickelt in New Jersey Ende der 60er Jahre, soll unbeschreiblich gut geklungen haben (heute leider in Vergessenheit geraten). Das 24“ / 60cm Basschassis ging lt. Messung bis 16 Hz hinunter, im 350 Liter Gehäuse!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Süddeutschen Zeitung:

Geld, 05.03.2015

Serie: Echte Werte

Vinyl lebt
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Von Pia Ratzesberger

Als Emil Berliner das Grammofon erfand, brachte er die Musik in die Wohnzimmer. Ende des 19. Jahrhunderts meldete er ein Patent auf die erste Schallplatte an, die von da an über Jahrzehnte für den richtigen Klang in Wohnungen und Tanzsälen sorgen sollte - bis die kleinere CD etwa 100 Jahre später begann, sie vom Markt zu drängen. Doch gerade in einer Zeit, in der auf Portalen wie Spotify fast jedes Lied zu jeder Zeit für jeden verfügbar ist, kommt sie zurück: die Platte mit den feinen Rillen, deren Aus so viele schon seit Jahren prophezeit hatten.

Immer mehr Künstler bringen ihre neue Alben heute wieder auf Vinyl heraus, alte Veröffentlichungen werden nachgepresst, in Elektronik- und Musikmärkten nehmen die Schallplattenabteilungen plötzlich wieder mehr Raum ein. Zwischen 20 und 30 Euro kostet ein Album dort im Schnitt. Zum Beispiel das elfte Album der Beatles, "Abbey Road", veröffentlicht von Universal Music. "Come Together", "Here Comes The Sun", "Carry That Weight" - die meisten dieser Songs sind nun als "remastered" gekennzeichnet. Der Klang dieser neuen Platte soll also noch reiner, noch klarer sein als früher.

Doch ganz gleich, ob dem wirklich so ist oder die vermeintliche Verfeinerung auf einem alten Plattenspieler vielleicht gar niemand hört: Für Sammler haben diese Vinylscheiben ohnehin keinen Wert. Und das liegt nicht an den Beatles. Denn für andere Alben der britischen Band sind manche bereit, Tausende Euro auszugeben. Auf dem Portal
popsike.com, das seit mehr als zehn Jahren die Preise von Ebay-Auktionen archiviert, gehört ein "White Album" von den Beatles von 1968 zu den teuersten Platten, die je registriert wurden. Fast 23 000 Euro hat die Scheibe gekostet. Andere Bands, die der Webseite zufolge ähnliche Preise erzielen, sind die Sex Pistols, Led Zeppelin oder Pink Floyd - kein Name auf dieser Liste also, der nicht als Größe in die Rockgeschichte eingegangen wäre.

Ein Wert von mehr als 20 000 Euro, das klingt erst einmal nach einer lukrativen Geldanlage. Zumindest wenn man davon ausgeht, dass die Beatles oder die Sex Pistols auch in Jahrzehnten noch zu den Größen der Musikhistorie zählen und der Preis ihrer Scheiben somit steigen wird. Doch wer nun über einen Gang in den Keller oder auf den Dachboden nachdenkt, um die angestaubten Platten von früher aus den Kartons hervorzuholen - hat ja keiner ahnen können, dass die so viel wert sind! -, dem sei gesagt: So einfach ist das nicht. Um für ein Album der Bee Gees mehrere Tausend Euro zu bekommen, braucht es sehr viel Glück oder sehr viel Wissen. Am besten von beidem etwas. Denn dass mit den neuen Platten aus den Musikmärkten beim Weiterverkauf nicht viel Geld zu machen ist, das ist klar. Sie sind überall erhältlich, das Angebot ist zu groß. Aber warum kosten manche gebrauchten Vinylplatten ein kleines Vermögen und andere nur zwei, drei Euro?

Ein Besuch bei jemandem, der es wissen muss. Seit fast 24 Jahren führt Christoph Best den Schallplattenladen Best Records in der Münchner Theresienstraße. Neulich war Elton John da, erzählt er, während er einen Packen gerade angekaufter Vinylscheiben durchsieht. Auf dem Plattenspieler dreht sich eine Funk-Platte, an der Wand hängt ein Poster von Nouvelle Vague. Gegenüber Motörhead. In den Kisten und Regalen des Ladens stapeln sich Platten aller Richtungen, etwa 10 000 Stück, schätzt der Besitzer. Nur Klassik, die gibt es hier nicht. "Zu speziell", sagt Best. Ob eine Platte viel wert sei, das mache er unter anderem am Jahrgang fest. Ein wenig wie bei einem guten Wein. Anfang der Siebzigerjahre gingen die Vinyl-Auflagen sprunghaft nach oben, wer Platten aus dieser Zeit zu ihm bringt, hat deshalb meist kein Einzelstück unter dem Arm - und kriegt dafür auch nicht viel. Aufmerksam wird der Händler bei Ausgaben von Anfang und Mitte der Sechzigerjahre. "In Indien zum Beispiel haben die Beatles ihre Platten damals noch auf Schellack pressen lassen. Solch eine Scheibe ist heute um die 30 000 Dollar wert", sagt der 57-Jährige. Davon gebe es weltweit nur noch eine Handvoll. Und was rar ist, ist teuer.

Aber auch jüngere Platten können Geld einbringen: Scheiben aus den Neunzigerjahren, als die CD den Markt übernahm und die Schallplatte deshalb nur noch in geringer Stückzahl gefertigt wurde. "Goldene Zeiten für mich", sagt Best, "die haben ja alle nicht glauben können, dass das Dreckszeug noch jemand haben will." Er grinst. Oh doch, das Dreckszeug wollten später so einige. Und es ist nur ein Beispiel von vielen, das zeigt, wie der Schallplattenmarkt sich immer wieder ganz anders entwickelte, als manche voraussagten. Heute ist Vinyl zwar eine Nische, allerdings eine Nische mit Wachstum. Nach einer Statistik des Deutschen Musikverbandes ist der Umsatz mit Schallplatten von 2012 auf 2013 um fast 50 Prozent auf 29 Millionen Euro gestiegen. Vor zehn Jahren waren es gerade einmal acht Millionen Euro. "Als der Vinyl-Markt am Boden war, haben kleine Independent-Labels wieder begonnen, Platten zu verkaufen und wurden dafür belächelt. Mittlerweile haben auch die großen Firmen, die diese Entwicklung über Jahre verschlafen hatten, bemerkt, dass sich das lohnt", sagt Holger Neumann, Geschäftsführer der Pallas Group, einem der wenigen noch verbliebenen Schallplattenhersteller in Europa.

"Es gibt nur ganz wenige Bands, die über jeden Zeitgeist erhaben sind."
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Weil Schallplatten wieder modern sind, läuft auch der Handel mit den gebrauchten Scheiben. Doch wer ein wirklich seltenes Stück ergattern will, der muss erst einmal viel investieren - und riskiert wie bei jeder Spekulation, dass sich der Wert in der Zukunft mindert. Denn Geschmack ändert sich. Der Preis einer Vinylplatte ist immer auch von der Nachfrage, ihrem Begehrtheitsgrad, abhängig. "Es gibt nur ganz wenige Bands, die über jeden Zeitgeist erhaben sind", sagt Ladenbesitzer Christoph Best. Wenn in 50 Jahren niemand mehr Led Zeppelin hört, ist die Scheibe nichts mehr wert, das Geld weg. Dass jemand eine so begehrte Platte wie beispielsweise das Bananen-Cover von Andy Warhol für The Velvet Underground bei sich im Keller liegen hat, ist Best zufolge so unwahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto. Die höchsten Preise erzielen die frühen Auflagen einer Platte, vor allem aus dem Land, aus dem die Band stammt. Außerdem Scheiben, die mehr bieten als nur Töne: Es reichen schon ein beigelegtes Poster oder ein paar Postkarten. Der Wert steigt natürlich nur, wenn alles noch intakt ist. Allein ein Riss im Cover kann den Preis wieder nach unten drücken.

In der Münchner Schallplattenzentrale sind die teuersten Platten im ganzen Laden zwei Scheiben von Can, einer Kölner Band aus den Sechzigerjahren. Zusammen wird der Händler Gerd Thorsch die beiden wohl für etwas mehr als 3000 Euro verkaufen. Für welchen Preis er sie erstanden hat, weiß er nicht mehr genau, er kauft nur komplette Sammlungen an. Mittlerweile gleicht er vor einem Ankauf die Preise oft im Internet ab, mit den Preisen der Auktionen von
popsike.com oder denen anderer Händler auf discogs.com. Denn wenn zu viele Scheiben für einen Betrag unter dem jeweiligen Marktpreis in den Regalen stünden, kauften Zwischenhändler diese auf - und verkauften sie teurer wieder weiter. Best kennt dieses Phänomen aus seinem Geschäft: "Wie die Heuschrecken", sagt er.

Dass die Platten manchmal eine ziemlich gute Rendite abwerfen, kann er aber nicht leugnen. Einmal habe er eine Scheibe aus der Psychedelic-Zeit für 60 Euro gekauft und zwei Tage später für 600 Euro wieder verkauft, erzählt Best. Im Hintergrund signalisiert ein Plakat an der Wand ganz klar, was der Ladenbesitzer von Leuten hält, die die schwarzen Scheiben nur noch als Spekulationsobjekte sehen: "Aufnahmen, die als Währung genutzt - und nicht angehört werden? Du Depp", steht dort in schwarzen Lettern geschrieben. Wer sowohl Spekulant als auch Musikliebhaber ist, steht sowieso vor einem Problem. Denn wer die Musik wirklich genießen will, mindert den Wert seiner Investition. Je öfter eine Platte angehört wurde, desto weniger wertvoll ist sie. Den höchsten Preis erzielt dagegen eine Vinyl-Scheibe, wenn sie "mint" ist, das heißt unbeschädigt und am besten noch verpackt. Ihren ursprünglichen Zweck aber, kann die Platte in der Originalverpackung wohl kaum erfüllen: die Musik in die Wohnzimmer zu bringen.


Echte Werte


 

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